Samstag, 6. Februar 2016

"Du gehörst in die Klappse" - "Da war ich schon"

Mein Aufenthalt in einer Jugendpsychiatrie

Wenn man das Wort "Psychiatrie" hört denkt man eher an eine Klappse in der geistig verwirrte Menschen umher irren die schreien und ihre Nägel an den Wänden abkratzen. Also so, wie es uns das Fernseh immer wieder aufzeigt.
Ich wurde zwei mal eingewiesen, einmal mit 14 wegen Depression und Suizidgefährdung, das zweite mal mit 16 wegen dem gleichen und einer Essstörung. Meine Kindheit verlief nicht gut, da ich ein Elternteil sehr früh verloren habe und es damals nicht verarbeiten konnte. Kurz nach dem Tod meiner Mutter schickte mich mein Vater zu einer Psychologin, die mich nach einem Jahr dann einweisen lies.
Ich hatte riesen Schiss.
An meinen ersten Tag werde ich mich immer erinnern, als wäre es gestern gewesen. Ich stand auf meiner Station, ein kleines, weinendes häufchen Elend und ein wenig perplex, da keinesfalls jemand weinte oder sich versuchte im Klo zu erhängen. Zwei meiner "Mitbewohner" rannten an mir vorbei, lachten und scherzten. In diesem Moment wurde mir Bewusst, dass alles worauf ich mich eingestellt habe überhaupt nicht wahr war. Meine ersten Tage waren langweilig und ich fühlte mich ein wenig einsam, da ich nicht aus der Klinik durfte und mein Handy mir abgenommen wurde. Allerdings hielt dieses Gefühl keine drei Tage. Ich habe in meinem Leben noch nie so viele herzensgute Menschen kennengelernt wie dort, denn diese Menschen wissen was psychischer Schmerz bedeutet und würden alles darauf setzen, dass andere diesen Schmerz nicht spüren müssen. Sie waren so aufgeschlossen, nahmen mich sofort in die Gruppe auf und wollten alles über mich wissen. Keiner machte den Eindruck als wären sie Krank, außer die Magersüchtigen an ihren abgemagerten Körper und dem ein oder anderen an ein paar dicken Narben am Arm die unter den langen Pullover hervorhuschten. Die erste Zeit war ich mit zwei anderen Mädchen im Zimmer, beide waren wegen Angststörungen eingewiesen. Am Ende herum war ich dann mit zwei Magersüchtigen im Zimmer, die mich zum Wahnsinn trieben mit ihrem ständigen "Du bist dünner" - "Nein, du bist dünner". Nach zwei Tagen wurde ich in bestimmte Therapien zugewiesen: Kunsttherapie, Ergotherapie, Entspannungstherapie, Gruppentherapie und dem Improvisationstheater, außerdem hatte man mindestens ein bis zwei mal Einzeltherapie.
Man hatte einen geregelten Tagesablauf. In der Früh wurde man geweckt, ging zum Frühstück, in die Schule die in der Klinik mit dabei war, zum Mittagessen, danach hatte man Zimmerzeit zum Hausaufgaben machen eine Stunde und dann gingen die Therapien los oder man hatte ein wenig Freizeit und durfte Spazieren gehen mit anderen Jugendlichen für eine halbe Stunde. Am Abend traf man sich dann zum Abend essen und dort wurde besprochen was die Abendbeschäftigung wird. Oft war es nur einen Film sehen, manchmal ins kleine Hallenbad oder in die Sporthalle die in der Klinik mit dabei war. Nach dem Essen gab es auch für zwei Stunden die Handys um mit Familie und Freunden zu telefonieren.
Um ehrlich zu sein interessierte mich mein Handy ziemlich schnell nicht mehr. Man saß mit 12 Jugendlichen auf einen Haufen und es war immer etwas los, da blieb gar keine Zeit um großartig zu Telefonieren. Man darf sich eine Jugendpsychiatrie gar nicht wie ein Krankenhaus vorstellen, eher wie eine WG in der viele Jugendliche für drei Monate kommen und dann wieder ausziehen. Die Therapien haben mir auch viel geholfen, auch die normalen Betreuer hatten immer ein offenes Ohr und wurden irgendwo Freunde und waren nicht nur "Aufpasser".
Die Therapien wirkten gut, das Selbstverletzen lies nach und meine Stimmung wurde stabiler und ich offener. Mein zweiter Aufenthalt ergab sich leider dadurch, dass ich ein Händchen dafür hatte an falsche Freunde zu geraten und die mich Stimmungs- und Psychischmäßig heruntergezogen haben. Soweit bis ich mich noch einmal versucht habe Umzubringen. Mein zweiter Aufenthalt war in der gleichen Klinik, jedoch musste ich zwei Wochen lang zuvor in die Geschlossene.
In der Geschlossenen wurde mir ziemlich schnell klar, woher Hollywood immer dieses grusligen Ideen für die "Klappse" hat. Dort drin war es schrecklich, darin wurden die Kinder und Jugendlichen eingewiesen, die wirklich am Ende waren, die wirklich dachten sie wären von irgendetwas besessen.

Um ehrlich zu sein, war es in der "Offenen" Station, in der ich insgesamt sechs Monate verbrachte irgendwie schön. Man war von Leuten umgeben die einen verstanden und nicht schief anschauten wenn du erzählt hast was du denkst oder warum du dich schneidest. Außerdem habe ich in meinem Freundeskreis und auch auf meiner Schule die Erfahrung gemacht, dass viele zwar nicht verstehen warum man sich freiwillig einweisen lässt, aber ich wurde keinesfalls gemobbt oder fertig gemacht.
Wenn man Hilfe braucht, darf man sich die holen und wenn es ambulant nicht mehr reicht, ist es auch ok stationär sich behandeln zu lassen.

Schönen Abend,
Euer Naschfuchs

1 Kommentar:

  1. Hallo meine Liebe - Respekt für den schönen und ehrlichen Beitrag. Viel zu viele Menschen haben Angst sich öffentlich zu ihren Seelischen Problemen zu bekennen :) Von daher toll das du das machst! Ich finde immer das Tabu Themen angesprochen werden sollten ...

    Nun zu meiner kleinen Kritik an deinem Blog :D Ich würde dir wirklich gerne folgen, nur finde ich leider nichts wo ich das kann ...

    Damit die Posts etwas übersichtlicher sind, kannst du auch einen Break einbauen. (Wenn du nicht weißt was ich damit meine, schaue gerne mal auf meinen Blog).

    Ich freue mich auf den nächsten Post von dir :)

    Liebe Grüße
    Justine
    http://www.justinewynnegacy.de/

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